Eine Sammlung von historischen und traditionellen Rezepten der Familie Pantelidis

Eine vergessene Grundsauce der 1950er Jahre

Obwohl die Tomatensauce in unserer heutigen Vorstellung fest mit der italienischen Küche verknüpft ist, fand sie auch in Süddeutschland früh ihren eigenen Weg in die Kochtöpfe und wurde dort bereits ab den 1920er Jahren ganz eigenständig in die bestehenden Saucentraditionen eingebaut. Anstatt sie roh oder puristisch zuzubereiten, band man sie in die klassische helle Grundsauce aus Butter, Mehl, Salz und Brühe ein. So entstand eine milde, cremige Tomatensauce, die noch in den 1950er Jahren in vielen Haushalten ein wichtiger Bestandteil des Küchenrepertoires war.

Zutaten (für ca. 4 Portionen)

  • 50 g Butter
  • 40 g Mehl
  • 250 g frische Tomaten (nur bei vollreifem Aroma, ansonsten 3 EL Tomatenmark)
  • 500 ml Brühe (Gemüse- oder Fleischbrühe)

Zum Abschmecken:

  • Salz
  • Zucker
  • Zitronensaft

Benötigte Kochgeräte

  • Schneidebrett und scharfes Messer
  • Niedriger Saucentopf, Schmortopf oder Deckelpfanne
  • Kochlöffel

Zubereitung

  • Die Zwiebel sehr fein würfeln, Die frische Tomaten in Stücke schneiden.
  • Die Butter in einem niedrigen Topf bei mittlerer Hitze zerlassen. Zwiebeln und Tomaten darin glasig und weich dünsten.
  • Das Mehl einrühren und unter Rühren kurz mitschwitzen, bis eine homogene Masse entsteht (Wenn keine frischen Tomaten verwendet werden, jetzt das Tomatenmark einrühren).
  • Mit Brühe aufgießen, gut durchrühren und die Sauce mind. 10 Minuten sanft köcheln lassen.
  • Zum Schluss mit Salz, Pfeffer, etwas Zucker und einem Spritzer Zitronensaft abschmecken.
  • Vor dem Servieren nochmals mit dem Schneebesen aufrühren und bei Bedarf, falls die Sauce zu dick ist, noch etwas Brühe hinzugeben

Varianten

Bei dieser Tomatensauce handelt es sich um eine Grundsauce, die bei Bedarf durch Zugabe weitere Zutaten und Modifikation an das gewünschte Gericht angepasst wird. So handelt es sich z. B. bei unserem Sugo cremoso di Claudia um eine solche Modifikation.

Das „Kochbuch für drei“ (1922/1959) nennt drei weitere solcher Varianten:

  • 72. Tomatensauce mit Kräutern: In die Grundtomatensauce geben Sie 1–2 TL feingehackter Kräuter
  • 73. Tomatensauce mit Schinken: In die Grundtomatensauce geben Sie ca. 50 g feingehackten, gekochten Schinken
  • 74. Tomatensauce mit Käse: In die Grundtomatensauce können aber auch noch 2 EL geriebener Emmentaler Käse gegeben werden, was sehr pikant schmeckt.

(KF3 1922/1959, S. 40)

Wir können uns vorstellen, welche Varianten in den folgenden Jahrzehnten daraus noch entstanden sind.

Anmerkungen und Geschichte

Auch in unserer Familie gehörte die Tomatensauce mindestens seit den frühen 1950er Jahren dazu, sie ist überliefert von Oma Claudia, wurde aber bereits von Uroma Hella und möglicherweise schon von Ururoma Helena gekocht. Gerade als Nudelsauce für Kinder war sie über Jahrzehnte fester Bestandteil des Küchenalltags.

Natürlich ist diese Tomatensauce kein italienisches Ragù und will es auch nicht sein. Sie stammt aus einer anderen kulinarischen Welt, in der das Einbrennen von Butter und Mehl nicht verpönt, sondern handwerklicher Standard war. Die Helle Grundsauce diente als Ausgangspunkt unzähliger weiterer Saucen, von Rahm-, Bechamel-, Wein-, Fisch-, Kräuter- und Senfsaucen und auch die Tomate wurde in diese Kochkultur „eingepflegt“, ganz deutsch-pragmatisch, aber mit großer Liebe zum Geschmack.

Man kann sich gut vorstellen, wie aus dieser Urform später weitere Varianten, verschiedenste lokale Paprikasaucen, „Zigeunersaucen“ oder Nudelsaucen für Kinder, wie die von Oma Claudia hervorgingen.

Cari amici italiani, rispettiamo, amiamo e veneriamo la vostra cultura e la vostra cucina, ma: Die „Tomatl“ verdanken wir alle ursprünglich den Azteken, nicht den Italienern und deswegen darf sie kulinarisch überall zu Hause sein. Unsere Einbrenne ist keine Blasphemie, sondern Ausdruck unserer persönlichen Esskultur. Gönnt sie uns ohne Groll!

2 Antworten

  1. […] Sugo cremoso di Claudia ist eine Weiterentwicklung der klassischen süddeutschen Tomatensauce aus den 1950er Jahren und davor, überliefert von Oma Claudia, möglicherweise schon gekocht von […]

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  2. […] Sugo cremoso di Claudia ist eine Weiterentwicklung der klassischen süddeutschen Tomatensauce aus den 1950er Jahren und davor, überliefert von Oma Claudia, möglicherweise schon gekocht von […]

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